Weit erstrecken sich die Berge und der Wind pfeift durch die Fensterscheibe. Seit Stunden klammert er sich an der harten Holzbank fest. Er führt ein Stück Brot aus der Vorratstasche zu seinem Mund und kaut bedächtig. Wirklich hungrig ist er nicht. Vielleicht liegt ihm neben der anstrengenden Reise auch die Verantwortung seiner Position schwer im Magen. Karl widmet seine Lebenszeit nicht nur dem Wiederaufbau der heruntergekommenen Erzdiözese in Mailand, sondern setzt sich leidenschaftlich für die Umsetzung des Konzils von Trient ein, die Reaktion der Katholischen Kirche auf die Reformation.
Die mehrtägige Reise führt Karl Borromäus vom Tessin in Italien über den Gotthardpass nach Luzern, St. Gallen und Rorschach in der Schweiz schließlich nach Hohenems (Elsensohn, 2014).
Dort besucht er seine Halbschwester Hortensia, die ihn im Hohenemser Palast erwartet. Die 24 jährige Gräfin trauert gerade um den Verlust ihres ungeborenen Kindes. Der angekündigte Besuch von Seelsorger Karl Borromäus lässt sie aufatmen (Elsensohn, 2014).
Die Kutsche kommt rüttelnd vor dem Palast in Hohenems zum Stillstand. Kontrolliert die steifen Gliedmaßen hebend schält sich Karl von der Rückbank. Seine bequemen Lederschuhe steigen auf festgetretene Erde. Er füllt seine Lungen mit der kühlen Abendluft und atmet erleichtert aus. Eingehend betrachtet er die Kulisse, die sich vor ihm erstreckt. Der Palast im Renaissance Stil thront vor ihm, das Tor zum Innenhof steht offen. Hinter dem Palast erhebt sich der von Wald bedeckte Schlossberg. Die nächsten Tage wird Karl in einem der Gästegemächer hausen. Seine Tage verbringt er nicht nur mit der gräflichen Verwandtschaft, sondern stattet auch den Seelsorgern der Umgebung einen persönlichen Besuch ab.
Kein Wunder also, dass Karl am Tag der Abreise im wahrsten Sinne des Wortes den Hut zieht und seine Kopfbedeckung – das Karlskäpple – in Hohenems zurücklässt. Vielleicht war es aus Schusseligkeit – oder es war ein Versuch, das beanspruchende Amt symbolisch für kurze Zeit niederzulegen.
Wie auch immer: noch heute ist das Karlskäpple in der Hohenemser Pfarrkirche St. Karl im hinteren rechten Teil der Kirche zu bestaunen. Eingebettet in rote Kissen liegt es da und erzählt uns die Geschichte des Kirchenpatronen Karl Borromäus.
Literatur: Franz Elsensohn (2014). Emser Sagenreise. Eigenverlag Franz Elsensohn. Hohenems.
Anmerkung zur Erzählung: Die Geschichte kombiniert historische Fakten aus dem Leben von Kardinal Karl Borromäus mit fiktionalen Elementen, um einen anschaulichen Einblick zu bieten. Sie erhebt keinen Anspruch auf historische Vollständigkeit.